Urlaub zu Ende? Nein, ich will nicht! Auf der Heimreise haben wir
in Rignano sull'Arno im Relais & Weingut Torre a Cona noch eine Nacht verbracht. Perfekter Urlaubsausklang.
Ein geschwungenes Eisentor eröffnet die Welt zu Torre a Cona, die Auffahrt ist rechter Hand von einem prächtigen italienischen Garten gesäumt, der Puls schlägt auf einmal langsamer. Die Rezeption zum Check-In befindet sich am Eck des imposanten Baus, davor parkt eine lässige, blaue Ape Calessino, die bei Bedarf Gäste, aber hauptsächlich Koffer auf die Zimmer kutschiert. Davon gibt es auf Torre a Cona 25 Stück, prachtvoll und hochwertig ausgestattet, sowie ein paar Suiten und Dependancen für größere Familien.
Seit 2019 geöffnet und im Corona-Jahr 2020 quasi unbenutzt geblieben, straht das Anwesen ein Potpurri aus Herrschaftlichkeit, Moderne und - vor allem - Ruhe aus. Das ist bei folgendem Setting auch relativ leicht: umgeben ist Torre a Cona von 200 Hektar Land mit Gärten, Wäldern, knapp 18 Hektar Weinbergen und Olivenhainen. Es gibt sogar ein kleines Museum. Das Anwesen gehört den piemontesischen Grafen Rossi di Montelera, das sind die, die Martini & Rossi gegründet haben. Heute gehört der Weltbekannte Vermouth-Hersteller zur Bacardi-Gruppe. Man spürt die Neigung zur Exzellenz.
Unser Zimmer befindet sich im zweiten Stock, ein moderner Hochglanzaufzug bringt uns hin. Auf Grund der toskanischen Hitze erfreuen wir uns zunächst der Klimaanlage, tauschen prompt Präferenzen zwischen der freistehenden Badewanne, der großen Dusche, dem großen Bett und der herrlichen, romantischen Aussicht über die toskanischen Hügel. Als Nachttische fungieren - nomen est omen - echt jeweils einen kleinen Tisch mit Tischdecke. Das finden wir belustigend.
Nota bene: Persönliche Fotos vom Zimmer gibt es keine, das haben wir total vercheckt. Im Urlaub denkt man halt nicht (so viel) nach. Das untenstehende Foto wurde mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Wir chillen am Pool, welcher leider über eine staubige, ziemlich geneigte, Straße 200 Meter weiter zu erreichen ist. Das ist unpraktisch und bekommt einen Minuspunkt. Wie auch die Tiefe des Pools: Mit 1,1 Meter Wasserstand hat man das Gefühl in einem Kinderbecken zu stehen (!). Da vergeht einem die Lust nach Längenschwimmen. Egal, denn zum Abkühlen reicht's und schön ist er auch. Einen Pluspunkt erhält die Liegewiese, die sich hinter der Pool-Anlage verstreckt. Der Blick über die Olivenbäume und die toskanischen Hügel machen die staubige Straße wieder wett....
Nachdem wir am Pool ausgiebig in der Sonne gechillt haben, haben wir Hunger und lächzen wir nach einem Aperitif. Beim Empfang hat man uns den Tipp gegeben in der hauseigenen Osteria einen Drink zu bestellen und im wunderschönen Garten der Orangerie einzunehmen. Gesagt, getan: Es gibt Rosé-Schaumwein für die Lady, ich gönne mir einen lokalen Spritz (mit toskanischen Aperol-Ersatz). Wir genießen die einzigartige Abendatmosphäre (allein!) zwischen den Hecken der Orangerie, doch der Hunger ist groß und so watscheln wir in die Osteria. Die Begrüßung ist herzlich, die Tische befinden sich im Innen- und Außenbereich, das Wetter erlaubt outdoor seating unter alten Bäumen. Wir fühlen uns sofort aufgehoben.
Die Osteria di Torre a Cona wurde im Mai 2021 eröffnet und wartet seitdem mit keinen Unbekannten hinter den fornelli auf: Maria Probst und Cristian Santandrea hatten lange einen Michelin-Stern in ihrem Lokal Tenda Rossa in Cerbaia in Val di Pesa, nun geschlossen. Maria sagt uns bei einem Plausch nach dem Abendessen, dass sie und Cristian sich hier austoben und mit einfachen, aber von der Materie her, hochwertigen Gerichten die Gäste bekochen können, "endlich ohne mir jeden Tag zehntausend Gedanken machen zu müssen, ob das Gericht, dass ich serviere, einem Michelin-Stern ebenbürtig ist." Die Augen von Maria sprechen Bände, wir verstehen sie.
Leider gibt es keine Fotos vom Abendessen, da unsere beiden Handies keinen Akku mehr hatten. Pech oder Glück für einen tollen, weinreichen Urlaubs-Abschluss-Abend? Die Gerichte waren sehr großzügig in der Portionierung und sehr schmackhaft, es gab tollen Risotto mit Bärlauch und Lardo, hausgemachte Pici mit sugo bianco di maiale toscano, wildem Fenchel, Brotkrumen und einem Hauch Peperoncino, als Hauptgang durfte es das Tomahawk von der Cinta Senese sein. Saftig, gschmackig und ausgewogen mit Pfeffer und Lime gewürzt. Der junge, AC/DC-begeisterte Serviceleiter aus Frankreich trug ebenso zu einem wunderbaren Abend bei wie die Weine (siehe unten) und die Grußworte von Chefin Probst selbst. Sie zeichnet und malt übrigens sämtliche Gerichte auf der Speisekarte selbst von Hand! Am Ende des Dinners schickten wir ein Glas Wein als Zeichen der Wertschätzung in die Küche. Damit ist alles gesagt.
Auf dem Kellereingang steht die Jahreszahl 1882. "Die ist allerdings falsch", sagt Chiara Bellacci, die Hauptverantwortliche rund um das Thema Wein, während sie uns herumführt, "in Wirklichkeit ist der Keller irgendwann zwischen 1700 und 1800 erbaut worden. Ganz schön alt, nicht wahr?"
Chiara führt uns in die vinsantaia, welche randvoll mit am Spundloch zubetonierten caratelli bestockt ist. Hier reifen zwei Vin Santo heran, ein Occhio di Pernice aus Sangiovese und ein weißer Vin Santo aus Trebbiano und Malvasia.
Wir gehen in die Önothek zur Verkostung. Ich kenne die Weine von Torre a Cona und will ich mir deshalb neuen Jahrgänge nicht entgehen lassen. Besonders der Chianti Colli Fiorentini 2019 ist durch seine hohe Trinkigkeit sehr "gefährlich", während der Chianti Riserva Badia a Corte 2018 sich wieder als einer der besten Chianti Riserva überhaupt entpuppt. Neu und derzeit noch nicht im Handel erhältlich ist die Kleinstauflage von zirka 3000 Flaschen Terre di Cino 2018, seit diesem Jahr ebenfalls als Chianti Riserva deklariert, der sich sehr fruchtbetont, leicht balsamisch und sehr ausdrucksstark zeigt.
Ein beeindruckender sortenreiner Sangiovese! Die Besonderheit des Hauses ist der sortenreine Colorino Casamaggio, der mit dem Jahrgang 2019 nun seinen höchsten Ausdruck erlangt hat.
Fazit:
Torre a Cona, ein kleiner (großer) Geheimtipp für alle Toskana-Liebhaber(innen)!