Giampaolo Motta: Ein Hauch von Bordeaux in der Toskana
Wenn es etwas gibt, das Giampaolo Motta und seine Weine ausmacht, dann ist es sicherlich die Tatsache, dass nichts als selbstverständlich angesehen werden kann. Wollte man Motta als Winzer beschreiben, so müsste man ihn wohl am treffendsten als Querdenker bezeichnen. In der Produktion seiner Weine ist er bereit, die vorgefertigten Schemata eines Gebiets, einer Tradition und einer Kultur aufzubrechen und seine eigene Vision zu verfolgen: Es ist die Essenz dessen, was sich hinter dem Konzept des Terroirs verbirgt.
In den 1990er Jahren ließ sich der aus Neapel stammende Giampaolo Motta auf ein ganz besonderes Abenteuer ein: Er erwarb die Tenuta La Massa, ein altes Weingut in der renommierten Ortschaft Panzano in Chianti. Das Anwesen liegt strategisch günstig im schönsten Teil des Gebietes, das wegen seiner markanten, nach Süden ausgerichteten Senke als "Conca d'Oro" bekannt ist. Der Name geht auf jene Zeit zurück, in der hier Weizen angebaut wurde – eine Tatsache, die das Gebiet in ein goldenes Amphitheater verwandelte, das in der Nachmittagssonne glänzte. Im Laufe der Zeit nahmen jedoch die üppigen Weinreben Überhand und tauchten die Landschaft in ein sattes Grün.
Seit jeher hegt Giampaolo Motta eine besondere Leidenschaft für Bordeaux und seine Weine. Mit „Giorgio Primo“ hat er nun auch einen eigenen Wein auf der Place de Bordeaux, einem historischen Vertriebsnetz, platziert. Nicht nur darüber haben wir mit ihm gesprochen.
Giampaolo Motta, woher kommt Deine Leidenschaft für Bordeaux, sein Terroir und seine Weine?
Im Jahr 1983, als ich mich noch überhaupt nicht für Wein interessierte, ging ich für ein zweijähriges Studium nach Lyon in Frankreich und verliebte mich dort in eine Studentin des Weininstituts an der Rhône. Ich begann, sie bei ihren Praktika zu begleiten, beim Rebschnitt, bei der Grünpflege und bei der Weinherstellung in Betrieben wie Château Figeac, Margaux, Latour und natürlich in Lyon, der Gastronomiestadt par excellence. In unserer Freizeit besuchten wir die renommiertesten Lokale jener Zeit und genossen große Bordeauxweine. Als ich nach meinem Studium nach Neapel zurückkehrte, begann ich, meinen eigenen kleinen Weinkeller aufzubauen – vor allem mit Bordeaux. Mein Weg in der Weinwelt beginnt dort, ich habe in Bordeaux angefangen und Bordeaux war immer meine Inspirationsquelle. Die Weine der 80er- und 90er-Jahre haben unzählige Emotionen in mir geweckt und sie begeistern mich immer noch. Allerdings muss ich dazusagen, dass die edlen Tropfen damals viel kostengünstiger waren und es deshalb für einen jungen Menschen leichter war, an sie heranzukommen.
Wie wichtig war es für Tenuta La Massa, auf der“ Place de Bordeaux“ zu landen, und was bedeutet es für Dich und Deine Karriere, Giorgio I in diesem wichtigen Vertriebssystem zu haben?
La Place de Bordeaux ist für mich die Erfüllung eines Traums, den ich seit Beginn meiner Karriere hege: Es handelt sich um das prestigeträchtigste Marktsegment, in dem die wichtigsten Weine der Welt vermarktet werden. Es repräsentiert ein Handelsvolumen von fast 4 Milliarden Euro pro Jahr und bedeutet für eine Marke den Erwerb einer Art zusätzlicher Vertriebskraft, die in jedem Winkel der Welt präsent ist. Wir stehen erst am Anfang eines Weges, der mindestens drei bis fünf Jahre zur Konsolidierung braucht. Allerdings sind die Ergebnisse in Bezug auf die Verbreitung, die Sichtbarkeit und die Präsenz auf neuen Märkten schon im ersten Jahr äußerst zufriedenstellend.
Was glaubst Du als Liebhaber: Wie wird sich Bordeaux in naher Zukunft entwickeln?
Bordeaux ist ein Spiegel der Zeit. Im Bereich der Produktion haben wir es mit verschiedensten Unternehmen zu tun. Jene, die sich an der Basis der Pyramide befinden, sind oft nicht imstande, ein Vertriebsnetz aufzubauen oder zu verwalten – es sei denn, es handelt sich um große Konzerne, die in der Lage sind, auf jedem Markt Fuß zu fassen. Die Betriebe an der Spitze der Pyramide, die seit jeher den Ruf von Bordeaux bestimmen, verfügen hingegen über eine beeindruckende Reaktionsfähigkeit und große Kapitalbeträge. Außerdem arbeiten sie mit größter Präzision und haben eine Geschichte sowie ein Gewicht auf dem Markt, das für andere unerreichbar ist. Das hat mich immer inspiriert. Man kann sagen, was man will: Bordeaux ist unübertroffen.
Die Seite der Vermarktung ist mit der Börse vergleichbar. „La Place de Bordeaux“ ist ein Koloss, der Einbrüche erlitten, sich aber immer wieder erholt, hat. Den letzten großen Sturz gab es 2008, dann kamen mit 2009 und 2010 zwei großartige Jahrgänge, der Markt kam wieder in Gang und „La Place“ zehrte zehn Jahre lang von der Konjunktur. Auch die Jahrgänge 2015 bis 2020 waren hervorragend – die einzige kleine Ausnahme bildete 2017, aber auch dieser wird wieder aufgewertet. 2021 präsentiert sich eher instabil und auch 2022, der als großer Jahrgang gehandelt wurde, litt unter den verrückten Preisanstieg in einer Phase der Hochkonjunktur in der Weltwirtschaft. Nun, 2023 ist ein heterogener Jahrgang, mit einigen Exzellenzen und einigen großen Schwierigkeiten, die mit dem Wetter und dem Pflanzenschutz zusammenhängen. Wenn sich die Preise beruhigen, könnte dies der Beginn des Ausstiegs aus der Gefahrenzone sein, und wenn sich 2024 zufällig als ein großer Jahrgang herausstellt, dann werden wir sehen, ob wir von einem Neustart sprechen können. Diese Schwankungen, die mit den Primeurweinen zusammenhängen, beeinflussen auch die Lieferbestände und sicherlich unser Segment der Extra-Bordeaux-Weine. Wir werden hart arbeiten müssen und zu bestehen, denn entgegen der landläufigen Meinung ist „La Place“ kein Selbstläufer und keine Plattform, die sich um alles kümmert. Man muss ein solides Dossier aufbauen und Seite an Seite mit den Händlern arbeiten, um zu bestehen. Wir geben jedenfalls unser Bestes.